Maibrauchtum

Das Maibrauchtum spielt im Stetternicher Vereins- und Dorfleben sicherlich eine übergeordnete Rolle. Warum dies so ist und weshalb das Maifest auch heute noch viele Stetternicher von Bedeutung ist, kann man nicht ein paar Sätzen erläutern. Man muß die Historie kennen um dieses Maibrauchtum zu verstehen.

Im ersten Buch „Stetternich Einst und morgen“ ist über diese Historie sehr wenig wiedergegeben. Wir waren der Meinung, vielleicht auch weil wir alle eine nähere Bindung zum Maibrauchtum haben, das es Sinn macht, hier noch einmal das Maibrauchtum in Gänze zu beschreiben.

Wir sind davon überzeugt, dass selbst alt eingesessene Stetternicher diese weitreichende Darstellung des Maibrauchtums so nicht kennen.

Ursprung und Geschichte

Durch das Maibrauchtum wird seit langer Zeit der Einzug des Frühlings gebührend gefeiert. Er war für die Menschen früherer Jahrhunderte von großer Bedeutung. Unter der Länge und Kälte des Winters litt man mehr, als dies heute der Fall ist. Die ersten wärmenden Sonnenstrahlen brachten daher nicht allein die Natur zum Erwachen.

Auch die Menschen lebten wieder auf. Da nun der Monat Mai die Natur wieder zum Erwachen und Blühen bringt, wurde der Beginn dieses Monats seit Jahrhunderten in mannigfacher Weise gefeiert. Aufgrund ihres Temperaments und jugendlichen Überschwangs steht die Jugend in dieser Beziehung an erster Stelle, und so ist es verständlich, dass von ihr ein Maibrauchtum ausging und gepflegt wurde.

So schlossen sich die Junggesellen des Ortes am Ostermontag jährlich neu zu einer Maigesellschaft zusammen, um die unverheirateten Mädchen und
Frauen aus dem Ort für eine festgeschriebene Zeit unter sich als „Lehen“ (von althochdeutsch lohan = geliehenes Gut) aufzuteilen.

Das Ausrufen dieser Maipaare, Anbringen von Maisträußen rsp. Aufstellen von Bäumen an den Häusern der Maibräute und die Zusammenkünfte der Maipaare haben ihre Vorformen in der Privatsphäre als Familienbrauch. Das Ausrufen als nicht öffentlicher Familienbrauch war bereits um 1500 in den Rheinlanden verbreitet – und zwar als Bestandteil des Fastnachtsbrauchtums.

Der älteste Lehnstermin war der erste Fastensonntag. Nachdem die Kirche um 1580 das Ende der Fastnacht auf Fastnachtsdienstag verlegt hatte, war jener Sonntag jedoch als Lehnstermin, der von Feier und Tanz begleitet wurde, ungeeignet geworden.

Verbote durch Klerus und Landesbehörden trugen alsbald dazu bei, dass man die Lehnszuteilungen auf Fastnachtsdienstag vorzog oder aber einen späteren Termin wählte. Hier boten sich nach Ende der Fastenzeit Ostern und Pfingsten an, aber auch der erste Mai und sein Vorabend. Denn an allen diesen Terminen wurde gefeiert und wurden, wie auch zu Beginn der Fastenzeit, Jahresfeuer abgebrannt. Als solcher Termin konnte sich in Stetternich der 30. April durchsetzen.

In der Abgeschlossenheit des dörflichen Lebensraums gab es für die Jugend kaum Freiräume, in der sie sich der sozialen Kontrolle der Erwachsenen entziehen konnte. Eingebunden in den tagesfüllenden Rhythmus der bäuerlichen und häuslichen Arbeit, lebten Jungen und Mädchen in ihnen nach Geschlecht fest zugeschriebenen Rollen unter nahezu lückenloser Aufsicht der Familie, denn sie war als Lebens- und Wirtschaftseinheit stets präsent.

Hier kam dem Junggesellenverein die entscheidende Rolle zu. Als Zweckgemeinschaft konnte er die Realisierung von Paarbeziehungen erleichtern und bei der Suche nach dem geeigneten, endgültigen Partner den Einfluss von Zufälligkeiten und gesellschaftlichen Diktionen auf die Partnerwahl verringern. Solche Initiativen zur Bildung von Paarbeziehungen konnten in der damaligen Gesellschaft aber nur von den Jungen ausgehen. Dass sich solche Junggesellenvereine aber so lange halten konnten, zeigt, dass die Mädchen in Anbetracht ihrer Lage mit den Aktivitäten der Burschen durchaus einverstanden waren. So nahm man sich schließlich nur das Mädchen zur Maibraut, von dem man sich etwa nach vorangegangenen Flirts, Neckereien und Blickkontakten Sympathien erhoffen konnte.

Die ursprünglichste Art des Zusammenschlusses einer Gesellschaft hat man sich darin vorzustellen, dass man sich kurz vor einer Kirmes zu einer Gesellschaft für die Brauchausübung formierte. Die Kirmes galt als „das“ Tanzvergnügen des Jahres, so das es auf der Hand lag, dass sich die Jungen ihre Tanzpartnerin zu sichern suchten.

Aus solchen spontanen Zusammenschlüssen zu einer Gesellschaft entwickelte sich mit der Zeit dann ein fester Verein mit Satzungen etc. Leider ist nicht mehr zurückzuverfolgen, in welchem Jahr und Jahrhundert die erste Maigesellschaft in Stetternich ins Leben gerufen wurde. Dies kann sehr gut schon im 18. Jahrhundert erfolgt sein, jedoch feierte man im Jahre 1936 ein hundertjähriges Bestehen, auf das sich nun die Gesellschaft stützt. Die
Aufnahme von Neumitgliedern vollzog sich ca.1840 auf folgende Weise: der Aufzunehmende musste auf einem Pferdesattel sitzend mit einem Besenstil seinen Namen in den vor ihm hingestreuten weißen Sand schreiben. Eng verbunden mit der Verbreitung dauerhafter Junggesellenvereine entwickelte sich aus dem Ausrufen der Maipaare die Versteigerung der Maibräute (Lehnsversteigerung).

Mit dieser Form der Mädchenzuteilung hatten die neuen Vereine eine Möglichkeit gefunden, nicht nur ihren Vereinsbesitz ( z.B. Statutenbücher) zu finanzieren, sondern mit dem Erlös auch die Brauchtumsaktivitäten festlicher zu gestalten, d.h. eine eigene Kirmes, das Maifest, auszurichten. Die Versteigerung wird von einem zuvor bestimmten Auktionator, vor 1914 dem Maiknecht, am Abend des 30. April geleitet. Zuerst werden die Würden des Maikönigs und des Maigrafen, früher als Maiknecht bezeichnet, mit Höchstgebot versteigert.

Die Würdenträger dürfen dann ihre Maibraut aus der Liste der zu versteigernden Maimädchen aussuchen. Auf das Höchstgebot hin werden dann auch die weiteren Maimädchen versteigert. Die Mädchen, auf die nicht geboten wird, kommen in den so genannten „Sack“, der einer besonderen Versteigerung unterliegt, und werden in den „Hinckenbroich“ geschickt. Dieses Waldstück liegt im „Seigenbusch“ und nach der Sage sollen dort alte Jungfern umhergehen.

Die je nach Anzahl der zu versteigernden Mädchen bis tief in die Nacht dauernden Versteigerungen finden unter Ausschluss der Öffentlichkeit im Wirtshaus statt. Der Versteigerung schließt sich dann das Ausrufen der Maipaare an, wobei man bis vor Jahren auch die Maisträuße – traditionell hier in Stetternich ein grüner Tannenzweig mit Papierblumen – direkt am Haus der Maibraut anbrachte.

Rügebräuche, wie das Anbringen von Schandmaien (z.B. eines Stachelbeerstrauches) oder das öffentliche Aussingen des Hinckenbroichverses,(„Nom Henkebroch, ess Plaats genoch“) sind schon seit langem nicht mehr im Gebrauch.

Natürlich wurde in früheren Jahren das Maifest nicht in dem Maße gefeiert, wie man es heute kennt. Die Menschen lebten einfacher, stellten weniger Ansprüche ans Leben. Und doch mag es gerade so lustig und fröhlich, wenn nicht noch fröhlicher zugegangen sein als heute.

Festzüge kannte man nicht. Auch war der am 30. April aufgestellte Maibaum nicht immer ein Nadelbaum. Birken, Eichen und andere Bäume genügten. Meist still in der Nacht, schlichen sich die Junggesellen in den Wald und nahmen sich wegen „Mangel an Geld“ den ersten besten Baum, der für die Sache gut schien. So hatte man einmal einen respektablen Eichenbaum mitgehen lassen, als die Polizei von der Sache Wind bekam.

Die Folge waren zwei Gerichtsverhandlungen, und nur dem Umstand, dass der deutsch- französische Krieg ausbrach, ist es zu verdanken, dass die Sache bei Gericht „einschlummerte“. Nach dem Krieg 1870/71 wurde das Maifest ein Geregelteres. Festzüge fanden statt, das Anschlagen der Maisträuße besorgte man gemeinschaftlich, wobei Lieder und Sprüche, meist von einem „Lokaldichter“ zusammengestellt, zum Vortrag kamen. Den Charakter einer Art „Nationalhymne“ hatte dabei das Lied „Ich hab mir eins auserkoren, ein Mädchen das mir gefällt.“

Das Maifest fand beim Lokale Dahmen ( Ecke Wolfshovener Str. / Martinusplatz, heute Bushaltestelle Wego ) statt. Dort wurde auch der Maibaum aufgestellt und ein Tanzboden ausgelegt. Etwa um 1890 verlegte man dann das Maifest in das Lokal des heutigen Jägerhofes, dessen
Inhaber, Johann Schopen, bzw. später sein Schwiegersohn, Konrad Sauer, ab 1890 dort einen Tanzsaal betrieb. Der Maibaum wurde bei den vor dem Lokale sich befindenden Kastanienbäumen aufgesetzt. Zwar kam es nach der Jahrhundertwende zu einer kurzen Gründung einer zweiten Gesellschaft, die ihren Maibaum wieder bei Dahmen aufstellte, doch zeigte schon die Zeitungsankündigung des Jahres 1914 die Festfolge, wie sie denn auch bis 1938 bestand. Damals fuhr schon das Königspaar mit der Maimagd (Maigräfin) und einem Blumenmädchen in einer Kutsche durch den Ort.

Die Maimädchen wurden während des Festzuges vor ihrem Haus vom Maimann abgeholt, so dass der Festzug erst kurz vor dem Saal vollständig war. Die Huldigung fand jedoch nur bei der Maikönigin statt. Es gab noch keine grün-weiße Fahne, jedoch besaß der Maiknecht als Zugordner schon eine Schärpe als Auszeichnung. Der Termin des Maifestes schwankte stets und richtete sich nach den Nachbarorten. So fand einmal ein Maifest erst Anfang Juni statt. Es gehörte zur Pflicht der Maimänner, ihre Bräute jeden Sonntag zu besuchen. Überhaupt hielt man es mit den Bräuchen sehr genau. Als ein Mädchen die Maiköniginnenwürde ablehnte, hatte dies zur Folge, dass die Festzugsmusik bei ihrem Haus aussetzte, so dass der gesamte Zug schweigend vorbeimarschierte. Der Maibaum wurde am Frühkirmesmontag (14 Tage nach Pfingsten) unter den Mitgliedern meistbietend versteigert.
Ausrufer der Maipaare vor 1914 war Franz Goder, der auch später das Amt des Auktionators übernahm. In dieser Zeit war auch der spätere Heimatdichter, Josef Rahier, Mitglied der Gesellschaft.

Nach dem ersten Weltkrieg konnte es durch die französische Besatzungsmacht nicht sofort wieder zu einem Maifest kommen. Erst 1920 konnte man die Tradition im Lokale Sauer wieder aufnehmen. Bei dieser Neugründung war Leo Maybaum Schriftführer. Sein großes Buch, in dem er die Neuaufzunehmenden mit einem Gänsekiel einschrieb, ist leider verloren gegangen. Kassierer war Philipp Stump, der sich um eine Neukonzeption der Statuten kümmerte. Sein Nachfolger wurde Mathias Koeth.

Auch zeigte sich die Gesellschaft selbstbewusster, indem man nun bei den Festzügen eine grün – weiße Fahne mitführte ( grün für die Natur, weiß für die Unschuld ). Jedoch fand sich durch die sehr schlechten Zeiten kaum jemand bereit, die Maikönigswürde zu übernehmen.

So waren manche mehr als einmal erster Repräsentant der Gesellschaft beim Maifest, denn fand sich kein neuer Maikönig, musste gemäß den Statuten der alte König das Amt weiterführen. Erst nach der Inflationszeit wurde dies besser. Nach den hohen Versteigerungsbeträgen, die doch nur Papier waren, kostete 1925 die Königswürde 4,50 Mark. Das Maifest wurde schon am Sonntagmorgen um 5.30 Uhr mit der „Reveille“ eröffnet.

Für den Maiknecht war es dabei verpflichtend, die Frühaufsteher mit einer Flasche Korn zu entschädigen. Die Huldigung fand nun vor König und Königin gesondert statt, was auch bis heute beibehalten wurde. Es war für den König Pflicht, bei den beiden Huldigungen je eine Flasche. Weinbrand zu verabreichen. Die Gesellschaft gab aber einen Unkostenbeitrag von 25 Mark.

Mit der nationalsozialistischen Machtübernahme 1933 begann für die Maigesellschaft aber ein harter Kampf. Während anderenorts neue Maivereine entstanden, geriet hier die Gesellschaft in den Strudel der Gleich- und Ausschaltungspolitik der Partei und ihrer Organisationen. So entstand schon 1934 für kurze Zeit eine zweite Maigesellschaft. Vor einem Festzug gab es sogar handgreifliche Auseinandersetzungen, weil Parteichargen das Mitführen der grün- weißen Fahne verhindern wollten.

Für sie war dies ein Zeichen des Separatismus. Der nächste Versuch des Regimes war, das Maifest möglichst mit den Parteifeierlichkeiten am 1. Mai zusammenzulegen. Dies sei, wenn überhaupt, der einzige Termin für Maifeierlichkeiten. Da hier das Ende der Gesellschaft drohte, wandte man sich schriftlich an das zuständige Ministerium in Berlin. Man durfte daraufhin am bisherigen Termin des Maifestes – 2. Sonntag im Mai- festhalten,
jedoch musste das Königspaar an den Feierlichkeiten des 1. Maies teilnehmen.

Dies geschah dann auch einmalig 1936. In diesem Jahr beging die Gesellschaft ihr hundertjähriges Bestehen. Wenn man dem Jülicher Kreisblatt glauben darf, feierte die Gesellschaft ein Fest, wie es selten gefeiert worden war. Der abendliche Festzug war schon damals von einer Fahrradgruppe mit bunten Rädern angeführt. Auch ein Stuckbäumchen wurde mitgeführt. Natürlich gehörte auch schon die Festkutsche mit dazu. Der Druck des
Hitlerregimes wurde aber in der Folgezeit immer größer. Glaubte man, durch eine Aufnahme der bekannten „Größen“ in die Gesellschaft, diese unter Kontrolle zu haben, so entstand hier nur noch weiterer Zwist. So konnten nur noch zwei Feste vor dem 2. Weltkrieg begangen werden.

Nachdem im Jahre 1945 der Krieg beendet war und die Männer und Jungmänner langsam aus der Gefangenschaft heimkehrten, fand man sich bereits 1946 erneut, zu einer Maigesellschaft zusammen, um den alten Maibrauch wieder aufzunehmen. „Neugründer“ waren Johann Fink, Theo Schumacher, Mathias Goder und Arnold Brand. Wenn auch im Ort hier und da wegen der vermissten Kameraden Unverständnis aufkam, das man schon jetzt wieder feierte, war es jedoch für die Heimkehrer an der Zeit, nun endlich wieder frei zu feiern.

So erklangen in diesem Jahr zum ersten Mal wieder in der Mainacht die alten Maigesänge, die zuvor im Wald eingeübt worden waren. Die alten Statuten erhielt man von Philipp Stump, der sie noch auswendig kannte. Durch die Kriegszerstörung des Saales Sauer wurde das Lokal Bebber (‚Kronenhof ‚) zum neuen Vereinslokal und blieb es auch bis zur Errichtung des Hotels.

Das erste Maifest wurde unter großen Opfern und Schwierigkeiten abgehalten. So wissen die damaligen Mitglieder zu berichten, dass nur ein offenes Zelt verlegt werden konnte, d.h. nur ein Tanzboden ohne Planen. Die Kutsche wurde nicht mit Geld, sondern mit Hafer bezahlt. Doch feierte man schon ein zweitägiges Maifest (Samstag und Sonntag), was sich im Laufe der Zeit weiter durchsetzte. Erhebliche Schwierigkeiten hatte man auch mit der Besatzungsmacht.

So wurde ein Mitglied, welches Zeltwache hielt, wegen Aufenthalt in der Sperrstunde verhaftet und über das Maifest hinweg in Aachen interniert. Trotz aller Schwierigkeiten, oder gerade deshalb, wurde von nun an wieder alljährlich das traditionelle Maifest begangen.

Ende der fünfziger Jahre hatte die Gesellschaft nochmals eine Krise zu überwinden, für die jedoch vereinsinterne Gründe zu suchen sind. Plötzlich war der Kassenbestand auf „plus / minus null“ zusammengeschrumpft. Wie nach dem Zweiten Weltkrieg musste wieder ganz von vorne angefangen werden. Unter der Leitung von Toni Simons, Willi Zantis, Hans Reinartz und Josef Goder sowie mit Hilfe einiger älterer ehemaliger Mitglieder wurde die Gesellschaft neu aufgebaut, und so ging der alte Brauch nicht unter.

Das erste Maifest (1960) feierte man noch bescheiden im früheren Lokale WoIters, am Martinusplatz. Doch konnte man schon 1962 ein Kreis- Maifest begehen. Kassierer und Auktionator war in dieser Zeit Josef Goder.

Mitte der sechziger Jahre übernahmen dann Dieter Schumacher, Hans Jakob Wirtz und Rolf Zimmermann die Leitung der Gesellschaft, die sie bis 1978 inne hatten. Da die Ausrichtung eines Maifestes von Jahr zu Jahr schwieriger wurde, da immer mehr Verträge abgeschlossen werden mussten und auch die finanziellen Belastungen immer größer wurden, wurden ab dem Jahr 1969 auch verheiratete Mitglieder aufgenommen. Aus dem gleichen Grund ließ man sich im Jahre 1972 beim Amtsgericht Jülich in das Vereinsregister eintragen.

In Verbindung damit wurden der Gesellschaft die bis jetzt gültigen Satzungen gegeben. Leider sind die bis dahin geltenden, älteren Statuten verloren gegangen. Bis zur Eintragung in das Vereinsregister wurde die Gesellschaft jeweils vom Maikönig geführt. Nach der Eintragung wird der Vorsitzende sowie der gesamte Vorstand durch Wahl ermittelt, lediglich der König und der Graf sind durch ihre Würde geborene Vorstandsmitglieder. Seit
1968 wurde das bisherige, zweitägige Maifest um den Montag erweitert.

Die alten bindenden Maibräuche blieben jedoch die gleichen. Ein gewisser Höhepunkt bildete das Maifest 1971. In diesem Jahr gastierte anlässlich eines Rheinischen Abends Kurt Lauterbach in Stetternich, und dieser Abend wurde für die Gesellschaft ein voller Erfolg. Da aber die Gesellschaft seit längerer Zeit kein besonderes Fest mehr abgehalten hatte, feierte man 1976 das hundertvierzigjährige Bestehen. Die Schirmherrschaft des Festes übernahm der damalige Bürgermeister Karl Knipprath.

Schon der Auftakt der Feierlichkeiten brachte einen für das Jubiläum würdigen Rekord. Kurt Kastner ersteigerte die Maikönigswürde mit 2002,- DM! Aber auch das Fest selbst zeigte die sehr gute Vorbereitung und Arbeit des damaligen Vorstandes und Festausschusses und war ein voller Erfolg. Erstmals fanden sich alle ehemaligen Würdenträger ( Maikönige u. Maigrafen ) in Stetternich wieder zusammen und für sie und alle Beteiligten wird
das glänzende Fest in guter Erinnerung bleiben. Alle verdienten Mitglieder wurden geehrt und erstmals wurden Vereinsnadeln ausgegeben.

Zu Ehrenmitgliedern wurden Mathias Goder, Arnold Brand, Ernst Höthke, Willi Kraus, Willi Wilden, Heinrich Wirtz und Theo Schumacher ernannt.
War das Jubelfest 1976 der Höhepunkt der Vereinsgeschichte schlecht hin, so erfolgte danach erstmalig ein Rückgang des Interesses bei den Mitgliedern und auch bei der Bevölkerung. Da Letzteres vor allem im Rückgang der Besucherzahlen bei den Veranstaltungen deutlich wurde, musste das Maifest 1984 und 1985 auf zwei Tage gekürzt werden. Das Interesse an der Brauchtumspflege seitens der Junggesellen konnte sich aber seit 1978
stabilisieren, was an einer stattlichen Zahl von Neuaufnahmen in jedem Jahr bei der Versteigerung deutlich wurde. 1986 konnte unter Schirmherrschaft des Landrates Johannes Kaptain das 150 jährige Bestehen gefeiert werden.

Bei dieser Gelegenheit wurden die ehemaligen Vorstandsmitglieder Dieter Schumacher, Hans-Jakob Wirtz und Rolf Zimmermann zu Ehrenmitgliedern ernannt. Ihnen folgten 1996 Jürgen Schiffer und 2001 Rolf Speen und Harald Goder.
1996 wurde Mathias Goder durch die Verleihung des Ehrenvorsitzes besonders geehrt. Die Leitung der Versteigerung der Maibräute ging Ende der achziger, Anfang der neunziger Jahre in die Hände des Teams Jürgen Schiffer und Arno Fensky über.

Seit 1992 richtet die Maigesellschaft im Ort ein weiteres Fest aus: von 1992 bis 1997 war dies ein Oktoberfest, seit 1998 ein Sommerfest. Um den Zuspruch zu den Abendveranstaltungen des Maifestes zu stärken, gastiert seit 1998 jeweils ein deutscher Schlagerstar kurzzeitig im Stetternicher Festzeit.

Die ursprüngliche Intention des Junggesellenbrauchtums ist heute bei weitem zurückgetreten, auch werden noch immer aus manchen Maipaaren Paare fürs Leben werden. Jedoch vollzieht sich das Kennenlernen heute vielfach in einem anderen Rahmen. Aber die Jungenschaften haben eine neue Funktion übernommen, die sie zum Weitermachen verpflichtet – die Pflege und Tradierung des überlieferten Brauchtums. Das Maibrauchtum erhält für Stetternich speziell noch einen weiteren Sinn dadurch, dass es „Alteingesessene“ und „Neuzugezogene“ auf willkommene Art miteinander verbindet. Die Maifeierlichkeiten als gemeinschaftsförderndes Brauchtum haben somit einen hohen Stellenwert, der auch die künftige Generationen verpflichten möge, das Erbe ihrer Väter zu erhalten. So wird auch heute im 3. Jahrtausend nach das Maifest nach alter Tradition und Sitte gehalten, man könnte auch sagen, das ewig junge Maibrauchtum.

So feiert eben jede Generation „ihr“ Maifest, mit ihren eigenen Späßen und ihren eigenen Witzen. In jedem Jahr passiert irgend etwas in Stetternich und nach Maifest hat man sich immer viel zu erzählen. So war im Juli, 2000 die gesamte Jungenschar zum Maifest plötzlich blond eingefärbt. Allein die Gaudi, am Vorabend des Maifestes, im Salon Wego beim Einfärben der Haare, man kann nur mutmaßen was sich dort abgespielt hat?

Aber auch die Verbindungen zu anderen Maigesellschaften der umliegenden Orte werden in den letzten Jahren intensiv gepflegt. Man besucht sich gegenseitig bei den Maifesten und trägt mit dazu bei, dass das Maibrauchtum in unserer Region aufrecht erhalten wird. Sicherlich entspricht dies nicht der Überlieferung früherer Zeiten, in denen man ja den fremden „Bursch“ im Dorf nicht duldete. Aber, andere Zeiten – andere Sitten.

Jedenfalls ist es in jedem Jahr ein wunderschönes Bild, wenn die Maipaare, herrlich anzusehen, im Gefolge mit den auswärtigen Maigesellschaften durch den festlich geschmückten Ort ziehen. In jedem Jahr zieht es viele Menschen nach Stetternich diesen prächtigen Maifestzug mit zu erleben.